Der Begriff Tensegrity, zusammengesetzt aus dem Englischen für tension = Spannung & integrity = Ganzheit, beschreibt ein neues Modell, mit dem sich die Festigkeit von Körpergewebe erklären lässt.
Das Tensegrity-Modell wurde bereits Anfang der 1960er Jahre vom Architekten Richard Buckminster Fuller geprägt, der damals große Kuppeln entwarf und sie danach benannte. Durch die Bildung dreidimensionaler Fachwerke wird eine besonders hohe Stabilität und Festigkeit erreicht. Das Prinzip findet sich in den Mikrostrukturender Zelle wieder, das eine Erklärung für die die hohe Stabilität und die Verformbarkeit des Gewebes sein kann. Daher vereint der Begriff Tensegrity die Biologie, Medizin und Technik.Mikrobiologen haben jetzt Zellstrukturen darstellen können, die im Sinne des Tensegrity-Modells aufgebaut sind. Durch diese neuen Erkenntnisse werden die wissenschaftlichen Grundlagen gelegt, die zu den erfolgreich praktizierten Behandlungsmethoden wie der Chiropraktik gehören. Ein Projekt, an dem seit 2007 Dr. R. Schleip der Universität Ulm forscht, behandelt das Thema Bindegewebe, auch Faszien genannt und liefert Erklärungsmodelle für die zusammenhängenden Bewegungsketten im Körper. „Durch Tensegrity haben wir den mathematischen Beweis, dass, wenn ich den Kopf bewege, die Fußstruktur beeinflusst wird und umgekehrt“ so Josef Heinemeier, Chiropraktor in Braunschweig.Faszien bestehen aus Kollagenfasern, welche sich im Körper so vernetzen, dass sie entweder eine hohe Elastizität oder Zugfestigkeit wie Stahl ausbilden. Sie sind in das Bindegewebe eingebunden und gleiten aufeinander wie Seidentücher. Ist dieses Gleiten unterbrochen, wie zum Beispiel durch eine Verletzung oder eine Sprunggelenksverstauchung, bilden sich vermehrt feste Fasern, um die Verletzung zu stabilisieren. Dieses härtere Kollagengewebe unterbricht das Gleiten, ein zerrendes Gefühl ist die Folge, das durch die freien Nervenenden in der Verklebung anfängt zu schmerzen. In der Faszie sind 80% der schmerz- und bewegungsvermittelnden Nervenenden des Körpers zu finden. Um die Struktur wieder zu befreien benötigt man entweder einen deutlichen Ruck um die Ursprungsposition wieder herzustellen oder aber ein langsames Dehnen der Faszien, um ein Schmiermittel aus gleitendem Bindegewebe wieder aufzubauen. Dies ermöglicht eine optimale Heilung und Regeneration. Insbesondere Wasser hat hier eine hohe Bedeutung im Gewebe, denn das Gleiten ist durch stark wasserhaltiges Eiweiß (Hyaluron) bedingt, das 70% der Flüssigkeit im Körper binden kann. Im Körper haben diese Kollagene eine Halbwertszeit von einem Jahr. Das bedeutet, dass ein Heilungsprozess erst abgeschlossen ist, wenn sich das Gewebe wieder so hergestellt hat, wie es im täglichen Leben benötigt wird. Dazu braucht es häufig Hilfe von außen im Sinne eines Behandlers, der die Voraussetzungen schafft, dass die Bewegung wieder ausgeführt werden kann. Danach helfen Übungen, am besten über Monate hinweg, wie Yoga, Pilates oder QiGong zu einem Gleiten der Faszien beizutragen. Denn, wie Robert Schleip zu sagen pflegt: „wer sich nicht bewegt – verklebt“.
Autor: Volker Schönfeldt
Veröffentlicht in „RegJo Niedersachsen“, Ausgabe 1/2015.Das gesamte Heft kann hier heruntergeladen werden: www.regjo.de/download/ausgaben/RegJo-Niedersachsen-2015-1.pdf